WDR 3, Mosaik, 2. Februar 2011

Bernhard Albers im WDR 3 Mosaik

Moderator: «Der Name, um den es jetzt hier im ‹Mosaik› geht, hat wenig mit Barock und sehr viel mit Moderne zu tun. ‹Man muß absolut modern sein› war der Ausspruch des Dichter Arthur Rimbaud und ihn hat sich ein Verlag zum Namenspatron erkoren, der Außergewöhnliches verlegt. Dreißig Jahre alt ist der Rimbaud Verlag aus Aachen und ich begrüße im Studio den Verlagschef Bernhard Albers. Guten Morgen.»

Bernhard Albers: «Guten Morgen.»

Moderator: «Warum war Ihnen ‹Rimbaud› Programm?»

Bernhard Albers: «‹Rimbaud›, das ist ein Signalwort. Ich wollte keinen Verlag gründen, der mit meinem Namen in Verbindung gebracht wird, wie meinetwegen mit Suhrkamp, Hanser oder S. Fischer, sondern es sollte von vorne herein klar sein, dass es nicht um eine unbedeutende Person geht oder um ein Zufallsprodukt, sondern wirklich um einen Namen, der heute noch von großer Bedeutung ist. Deshalb habe ich diesen Verlag vor dreißig Jahren gegründet, genau an meinem Geburtstag. Rimbaud hat einmal gesagt, dreißig Jahre, das sei die Hälfte des Lebens. Das fand ich damals sehr bezeichnend.»

Moderator: «Für ihn ja leider nicht.»

Bernhard Albers: «Nein, er ist mit 37 Jahren gestorben. Ich habe dem Verlag eigentlich auch nicht viel mehr Lebenszeit gegeben als sieben Jahre. Das Unternehmen war dann doch etwas riskant damals.»

Moderator: «Aber so, wie er im Moment blüht, wird er es wohl noch ein paar Jahre machen.»

Bernhard Albers: «Ja, die Verlage, die damals existierten, die sind zum großen Teil nicht mehr da, das stimmt.»

Moderator: «Heute Abend, am 2.2. 2011 wird gefeiert im Aachener Couven Museum, mit einer Lesung Ihrer Autoren Christoph Leisten, Frank Schablewski und Reinhard Kiefer. Und mit Kiefer hat es ja auch irgendwie begonnen, oder?»

Bernhard Albers: «Kiefer war mein erster Autor, der auch von Rimbaud begeistert war und mich quasi angesteckt hat. Das hat uns sozusagen zusammengebracht. So fängt ja auch ein Verlag an: man bringt Bücher von Freunden und Bekannten heraus und dann steckt man meistens fest. Deshalb wurde mir deutlich, daß ich mit anderen Autoren ein Gebilde schaffen muß.»

Moderator: «Ist Kiefers Lyrik symptomatisch für Ihr Verlagsprogramm? Er ist als Autor jetzt nicht so bekannt, wie die ganz Großen und Sie haben einmal gesagt, Herr Albers, dass die besten Autoren Außenseiter seien. Kann man das so programmatisch sagen?»

Bernhard Albers: «Ja, man kann es so sagen. Denken sie zum Beispiel an Hölderlin, oder denken Sie an Büchner. Das sind ja Autoren, die so viel bewirkt haben – und auch Rimbaud selbst – die erst weit nach ihrer Zeit bekannt wurden und ein Publikum bekommen haben. Wenn auch nur ein spezielles Publikum. Aber es gibt Büchner-Preise, Hölderlin-Preise und ich bin überzeugt, dass Hölderlin und Büchner diese Preise nie bekommen hätten. Sie waren eben keine Zivilisationsliteraten.»

Moderator: (lacht) «Das ist natürlich eine gute These. Wer sind denn diese Außenseiter. Können Sie mal ein paar Namen nennen?»

Bernhard Albers: «Außenseiter bei mir im Verlag?»

Moderator: «Ja.»

Bernhard Albers: «Ach, das sind eigentlich alle. Das hängt ja damit zusammen, dass alle Autoren irgendwie um Rimbaud herum geschart sind. Wissen Sie, Rimbaud hat mal gesagt ‹Ich ist ein Anderer›. Das kennen Sie sicher auch, in seinen Seherbriefen. Er meinte damit, ein Dichter muss erst ein Dichter werden. Er hat das verglichen mit einer Trompete oder mit einer Geige. Er ist wie ein Instrument, das sich erst Formen muss. Ich selber habe mich sozusagen als Dirigent verstanden. Ich schaffe mir einen Klangkörper und versuche das Beste aus den Autoren herauszuholen.»

Moderator: «Ein Beziehungszauber könnte man fast sagen.»

Bernhard Albers: «Ein Beziehungszauber, ja. Wie ein Klangkörper muss das sein. Oder Sie können auch – wie diese Sendung hier heißt – von einem ‹Mosaik› sprechen. Ich habe kleine Teile zusammengesucht, bis es zu Konturen kam. Ein Autor ist bei mir erst jemand, der mit drei Büchern existiert. Die meisten haben es erst gar nicht geschafft.»

Moderator: «Wenn man mal auf die Werkreihen blickt – es gibt viele Autoren bei Ihnen, aber es gibt auch Studien zu Ezra Pound, Hubert Fichte, Ernst Meister – ein Lyriker, der nicht sofort zugänglich ist – Rimbaud natürlich, auch zu Kunst und Musik… Wo ist da der rote Faden? Ist Rimbaud das magnetische Zentrum?»

Bernhard Albers: «Ich habe eine Anthologie zusammengestellt: ‹Rimbaud vivant›, auch in einer neuen Auflage und da sehen Sie , wie viele Autoren – die ich ja gar nicht kannte, wie Ernst Meister oder Erich Arendt, dessen große Werkkomplexe ich vertrete – eigene Gedichte über ihn geschrieben haben. Rimbaud war schon ein Meilenstein für die Autoren meines Verlages.»

Moderator: «Ihr Credo ist ja die Werkpflege. Sie sagen, Sie machen keine Bücher, sondern Sie pflegen Werke und Autoren. Das heißt Betreuung von Autoren über einen längeren Zeitraum. Engen Sie sich damit nicht zu sehr ein?»

Bernhard Albers: «Nein, ich betrachte das Ganze – wie ich schon sagte – im Zusammenhang eines Mosaiks, als eine Literaturlandschaft. Ich besuche die Autoren auch, wir machen Verlagstreffen, wir tauschen uns aus und lernen uns gegenseitig kennen und wie ein Dirigent nehme ich, wie gesagt, Einfluss darauf, wie die ganze Stimmlage sich darstellt. Eine Literaturlandschaft allerdings, die sich heuristisch, wenn man so sagen will, entwickelt hat. Die nach und nach zu einem Bild wurde, das sich ständig erweitert. Dagegen habe ich ja auch eine Literaturlandschaft, die relativ bekannt ist, nämlich die Literatur aus der Bukowina. Diese ist aber auch im Verborgenen als unglaublich furchtbare Landschaft und ich berge sie in Dutzenden von Bänden.»

Moderator: «Also noch mehr als von Rose Ausländer, die man schon gut kennt?»

Bernhard Albers: «Ja. Ich lernte 1987 einen Autor kennen, Alfred Kittner, der den Holocaust dort in der Bukowina überlebt und der mich sehr beeindruckt hat. Er sprach immer, auch in seinen Briefen, von der Literaturlandschaft.»

Moderator: «Unterscheiden Sie sich mit diesem Programm, mit diesem Credo, von der sonstigen Verlagslandschaft?»

Bernhard Albers: «Ja, ich unterscheide mich schon deshalb, weil ich keine Zivilisationsliteraten im Programm habe. Allein schon von den Themen her. Meinetwegen: ‹Der Vater hat jetzt Alzheimer bekommen, da schreibe ich jetzt ein Buch; meine Mutter hat mich verlassen und ist eine Rabenmutter, jetzt wird das Buch geschrieben›…»

Moderator: «So eine Oral History»

Bernhard Albers: «Genau, also ich kann zum Beispiel schon kein Buch empfehlen für diesen Buchpreis, den es vom Börsenverein gibt. Im Programm existiert nichts, was die breite Masse interessiert. Ich hatte zum Beispiel einen, natürlich unerwarteten, großen Erfolg mit einem Buch von Moses Rosenkranz: ‹Kindheit›. Das Buch hatte innerhalb kurzer Zeit vier Auflagen und jede hatte 1000 Stück. Es war so gut besprochen worden, daß sich sogar Taschenbuchverlage um die Rechte rissen. Ich habe von vornherein gesagt: ‹Ihr werdet das nie machen.› Und so war es auch. Die Begründung war am Schluss: ‹Man kann dieses Buch nicht am Strand lesen.›»

Moderator: (lacht) «Also 300 bis 1000 Stück ist Ihre Auflage, kann man sagen?»

Bernhard Albers: «Ja.»

Moderator: «Sie haben aber Druckkosten, Personal, vielleicht auch Vertrieb. Wie finanzieren Sie das, bei diesem anspruchsvollen Programm?»

Bernhard Albers: «Dazu muss ich Folgendes sagen: André Gide war bei seinem ersten Buch sehr glücklich darüber, dass er in zwanzig Jahren 500 Stück verkauft hat und das waren wirkliche Leser. Ich habe wirkliche Leser, die diese Bücher kaufen und - wie meine Autoren auch - lebe ich nicht vom Verlag. Meine Autoren oder wie Gottfried Benn und andere, hatten alle einen Brotberuf. In dieser Auflagenhöhe war ja auch Benn. Er sagte: ‹Ich kann kaum mein Portogeld von meinem Honorar bezahlen.› Und so ähnlich ist es bei meinen Autoren auch. Sie haben verschiedene Brotberufe. Ich auch. Niemand muss davon leben. Allerdings, alles Geld, das der Verlag einnimmt, wird wieder investiert in neue Projekte. Deshalb habe ich bisher über 500 lieferbare Bücher.»

Moderator: «Das ist eigentlich eine großartige Haltung zur unabhängigen Kunst.»

Bernhard Albers: «Genau. Und wenn man Verlage – wie man es früher gemacht hat – nach der Backlist betrachtet, dann sind wir ein großer Verlag.»

Moderator: «Happy Birthday also zum dreißigsten Geburtstag des Rimbaud Verlags.»

Bernhard Albers: «Dankeschön.»

Moderator: «Wie gesagt, heute Abend wird es im Couven Museum in Aachen eine Geburtstagslesung geben und ich bedanke mich für das Gespräch.»

Bernhard Albers: «Ja, ich auch und vielen Dank.»

 

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